Kung fu

Kung Fu 功夫 beschreibt ursprünglich den Grad einer Kunstfertigkeit. Im Westen kam es zu einem Missverständnis, sodass man die hohe Kunstfertigkeit einer Kampfkunst, die als gutes Kung Fu bezeichnet wurde, mit der Kampfkunst selbst verwechselte, womit der Begriff Kung Fu zu einem Synonym für die chinesischen Kampfkünste wurde. Der eigentliche Sammelbegriff für die chinesischen Kampfkünste lautet Wushu 武术, was übersetzt "Kriegskunst" bedeutet. Aber auch dieser Begriff vollzog einen Bedeutungswechsel, sodass man heute unter dem " Wushu" eher eine akrobatische  Wettkampfdisziplin, die wenig bis gar nichts mit Kampf zu tun hat, versteht. Oft findet man auch die Bezeichnung 'Modernes Wushu', wodurch auf den Unterschied zum ursprünglichen Wushu hingewiesen werden soll. Im laufe der Zeit fand der Begriff Kung Fu, als Sammelbegriff für die chinesischen Kampfkünste, auch Einzug in China, wo er, aus Marketinggründen genauso verwendet wird wie bei uns.

 

Kung Fu setzt sich zusammen aus dem Wort Kung (eigentlich: Gong) 功, was soviel wie "Arbeit", "Leistung", "Ergebnis", "Fertigkeit", "Verdienst", "Errungenschaft" bedeutet, und sich seinerseits aus den Radikalen工 (Ebenfalls Gong ausgesprochen) für "Arbeit", "Arbeiter", "geübt sein", "etw. beherrschen" und 力 (li) für "Kraft"/"Stärke" zusammensetzt, und Fu  , was soviel wie "Mann, Ehemann, Gatte" bedeutet. Kung Fu 功夫 bedeutet demnach soviel wie "Können", "Fähigkeit", "Geschick", "Kunstfertigkeit", "Mühe", "Anstrengung", "Arbeit", "Zeit und Mühe", "Fleiß", "Aufwand" also "harte Arbeit", oder auch "können durch Anstrengung". Kung Fu ist die Arbeit an der eigenen Person durch die konsequente Hingabe an eine Kunstfertigkeit. Es geht in erster Linie nicht darum besser zu werden als alle andern, sondern daran zu arbeiten, morgen besser zu sein als heute. Kung Fu ist auch eine "nicht messbare Qualität", sodaß zum Beispiel ein Gemälde oder eine Kalligraphie Kung Fu haben. Der Schöpfer, der durch harte Arbeit und langes Training die Meisterschaft erreicht hat, die durch sein Werk wieder gespiegelt wird. Kung Fu kann man in allem erreichen, im Kochen, im Putzen, in der Rethorik, als Manager, als Arzt, als Lehrer, als Busfahrer, ... und eben auch, so wie dieser Begriff bei uns im Westen verwendet wird, in den Kampfkünsten.

 

Im Westen wurde der Begriff Kung Fu als Oberbegriff für die chinesischen Kampfkünste durch die Hong-Kong-Filme, Bruce Lee und die Fernsehserie "Kung Fu" bekannt

Shaolin Kung Fu

Shaolin wird oft als der Ursprungsort und die Mutter der Chinesischen Kampfkünste bezeichnet und zählt zu den älteste bestehende Kampfsystemen. Durch die ganze Geschichte Shaolins traten immer wieder Kampferfahrene Leute (wie z.B.: ehemalige Soldaten) in das Kloster ein, die einen Einfluss auf die Shaolin Kampfkunst nahmen und die an der Perfektionierung der Kampfkunst beteiligt waren. Andererseits verließen auch Mönche das Kloster und beeinflussten ihrerseits die Entstehung neuer Kampfkunststiele. Seit der Qing-Zeit gab es ein Verbot zum Praktizieren der Kampfkünste, was zu einem Rückzug sowie einer strengen Geheimhaltung der Kampfkünste, nicht nur in Shaolin, sondern in ganz China, führte.

 

Shaolin Kung Fu, eigentlich Shaolin Quanfa 少林拳法  oder auch kurz Shaolin Quan, ist das wohl bekannteste Kampfkunstsystem Chinas und besteht aus hunderten Formen (Taolu)  und mehreren Kampfsystemen. Diese unterschiedlichen Kampf-, Tierimitations- und Waffenformen enthalten Verteidigungstechniken genauso wie Angriffstechniken. Es ist jedoch mehr als ein reines Kampfsystem, nicht nur ein äußerer Feind steht im Mittelpunkt, sondern auch die Selbstkultivierung, die Auseinandersetzung mit sich selbst. Als zentrale Tugend gilt die Barmherzigkeit. Der wahre Krieger hat ein friedvolles Herz, er ist voll Mitgefühl und Respekt gegenüber allen Lebens; Gelassenheit, Selbstbeherrschung und Bescheidenheit zeichnen ihn aus.

 

Das Training fördert die Beweglichkeit und ist ein einzigartiger Weg, Geist und Körper zu stärken. Shaolin Kung Fu ist eine gute Technik für bessere Körperbeherrschung, Energie und Flexibilität, bei mehr Ruhe und Ausgeglichenheit. Zusätzlich werden Konzentration und Ausdauer gestärkt.

 

Gemäß dem Yin-Yang-Prinzip sollte innere Ruhe die Basis jeder Bewegung sein, denn erst wenn der Geist gelassen und zur Ruhe gekommen ist, und der Körper locker, entspannt und dennoch fest ist, kann sich die Bewegung und damit auch das Qi ungestört in ihrer ganzen Kraft entfalten. Genauso gilt, dass Gedanken und Bewegungen in Harmonie sein müssen, damit die Kraft fließen kann. Durch regelmäßiges Shaolin-Kung-Fu-Training werden Yin und Yang in Einklang gebracht, die Fünf Elemente harmonisiert, die Immunabwehr gestärkt, sowie der Qi- (Energie-) Fluss aktiviert und reguliert.

 

Als Kampfkunstsystem kennt das Shaolin Kung Fu eine Vielzahl an Angriffs- und Verteidigungstechniken, die in Form von sogenannten "Taolu" überliefert, tradiert und gelehrt wurden und werden. Taolu, im Deutschen als "Form" Bezeichnet, sind Bewegungsabläufe, die oft wie choreografierte Kämpfe gegen einen unsichtbaren Feind aussehen. In den Taolu wird viel wert auf Harmonie und Ruhe, Yin und Yang, Härte und Weichheit sowie Geist und Form gelegt. Die Yin-Yang-Prinzipien manifestieren sich in mehreren Aspekten des Shaolin Kung Fu wie zum Beispiel, Form und Geist, Äußere und Innere, Bewegung und Ruhe, Vorstoßen und Rückzug, Angriff und Verteidigung usw. Besonderer Wert wird auf das Sechs-Harmonien-Prinzip gelegt. Die Äußeren Harmonien sind die zwischen Hand und Fuß, Ellenbogen und Knie, Schulter und Hüfte. Die Inneren Harmonien sind die zwischen Xin (Herz/Bewusstsein) und Yi (Absicht, Intention), Yi und Qi, Qi und Li (Kraft).

 

Die Bewegungen zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie wenig Platz in Anspruch nehmen. Nach einem alten Sprichwort benötigt man für das Training nicht mehr Platz als ein hockender Büffel. In Kampfsituationen entstehen dadurch  selbst in engen räumlichen Verhältnissen keinerlei Einschränkungen.

 

Es gibt im Shaolin Kung Fu drei zu erreichende Niveaus. Auf dem ersten Niveau lernt man die äußeren Formen und verbessert seine Körperhaltung und Fitness. Im zweiten Niveau wird viel Wert auf die Einheit von Geist und Faust gelegt. Man lernt, die Formen in Formlosigkeit umzuwandeln, sodass die Kampfmethoden von einem Gegner nicht mehr erkannt werden Können. "Schlag die Gegner nach den Prinzipien der Formlosigkeit und dem Nicht-Handeln", so lautet ein Satz aus den Aufzeichnungen der Fauststile des Shaolin Klosters. Das dritte Niveau ist erreicht, wenn jedes Handeln nach dem Geist gerichtet ist. Daher, so heißt es, ist die Kampfkunst auch die Kunst des Herzens Xin 心.  Xin 心, das Radikal Nr. 61, das auch ein Herz abbildet, ist jedoch ein viel weitreichender Begriff. Das Herz  Xin 心 steht auch für das Bewusstsein, für das es Synonym verwendet wird. Sein Bedeutungsfeld umfasst weiters "Gefühl", "Denken", "Kern", "Sinn", "Zentrum", "Emotion", "Innerlichkeit", "Verstand", ... all dies schwingt mit ... Durch die Kampfkunst tritt man in den Zustand der Versenkung und erlangt Weisheit. Man Kann sagen, dass das Shaolin Kung Fu eine Kampfkunst ist, die man im Zustand der Versenkung und mit vollkommener geistigen Klarheit (Weisheit) betreibt.

 

Die meisten Formen des Shaolin Kung Fu bestehen aus weniger als 36 Bewegungen. Durch die Kürze und der Kompakt aufeinander folgenden Bewegungsabläufe kann effizient Energie gesammelt und die Form in einem Zug ohne große Mühe durchlaufen werden. Dadurch kann man sich besser in die einzelnen Bewegungen vertiefen und gleichzeitig vermeiden, dass Probleme wie  Ermüdung und Halbherzigkeit entstehen, für die lange Formen anfälliger sind.

 

Merkmale der Shaolin Faustmethoden:

  • Yin und Yang verstehen
  • Drei Körperteile erkennen
  • Vier Enden in Bereitschaft halten
  • Fünf Elemente in Einklang bringen
  • Sechs Harmonien berücksichtigen
  • Drei Wesen regulieren
  • Drei Schätze bewahren
  • Meridiane öffnen

Die Künste der Shaolin galten lange Zeit als geheim und waren nur wenigen Menschen zugänglich. In Jüngerer Zeit hat sich das Shaolin Kloster unter Abt Shi Yong Xin wieder begonnen nach Außen zu öffnen, um die Künste der Shaolin wieder einem größerem Publikum zugänglich zu machen.

 

Großmeister Shi  Yan Zhuang 释 延 庄 spricht über Shaolin Kung Fu. Shi Yan Zhuang, Jahrgang 1964, gilt als eine Koryphäe des Rou Quan sowie des Shaolin Kung Fu und ist einer der führenden Köpfe des Klosters. Er ist Cheftrainer des Klosters und hat sich der Bewahrung und Weitergabe der alten Shaolin Formen verpflichtet. Im Auftrag des Abtes Shi Yong Xin erarbeitete er die 10 Bände umfassende Reihe "Shaolin Monastery's Compendium of Puglism"  (Chinesisch/Englisch) über die Formen des Shaolin Quan. Teile dieser Arbeit werden auf der Homepage des Shaolin Klosters in regelmäßigen Abständen, unter "Weekly Form" veröffentlicht.

 

Englischer Untertitel ab Minute 2:00.